Neue Treffpunkte
im öffentlichen Raum: Hotels



22.05.2018

Hotels kann man als reine Übernachtungsmaschine betrachten oder aber als Häuser mit Seele: Caspar Schmitz-Morkramer erhielt gerade auf der Mipim in Cannes für sein Tagungshotel Michaelsberg in Siegburg zwei begehrte Auszeichnungen: den Mipim Award  in der Kategorie „Best Hotel and Tourism Resort“ und den „Special Jury Award“ für eine herausragende, architektonische Leistung.

Was sind für Sie wichtige Kriterien, um positive Gefühle im Hotel zu vermitteln?

Caspar Schmitz-Morkramer: Häuser, die mich in meiner Kindheit schon enorm beeindruckt haben, sind die Schweizer Grandhotels wie das Suvretta-Haus. Wie kaum ein anderes Grandhotel besitzt dieses Haus eine imposante, mit dem Flair der Gründerzeit ausgestattete Lobby, das Herzstück des Hotels. Es ist ein Haus, in dem man nicht nur übernachtet, sondern in dem man lebt. Bei den Grandhotels ging es nicht darum, viel Zeit auf den Zimmern zu verbringen, sondern man traf sich zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Salons: Das ist die Parallele zu unseren Häusern.

Heute vermitteln Hotelzimmer eher Individualität und den Rückzug ins Private. Legen Sie bei Ihren Hotel-Planungen deshalb umso mehr Wert auf die öffentlichen Räume, die Treffpunkte für Gäste?

CSM: Unbedingt. Früher unterschied man Hotels, in denen man Urlaub machte, und solche, in denen man aus beruflichen Gründen übernachtete. Heute erfolgt hier keine wesentliche Trennung mehr. Hotels, die früher in unseren Städten eine große Rolle hatten, sollten diese in Zukunft zurückgewinnen – diese Gebäude können wieder zu offenen Orten und Kommunikationstreffpunkten werden. Wir möchten, dass sie einen stärkeren Platz im öffentlichen Raum einnehmen. Hier in Deutschland ist es nicht üblich, dass man abends in der eigenen Stadt im Hotel-Restaurant oder an der Bar etwas trinkt und isst. In San Francisco gelten die Lounges und Terrassen als öffentliche Flächen, nicht nur für Gäste.

Auch die Geschichte der früheren Benediktinerabtei in Siegburg haben Sie weitergeschrieben: mit einem modernen Neubau, der sich wie selbstverständlich in die denkmalgeschützte Abtei einfügt und so der Stadt Siegburg ein markantes Gesicht verleiht.

CSM: Die Identität des Ortes zu bewahren, hatte für uns Priorität. Es galt, ein ergänzender Teil der Landschaft zu werden, ohne diese zu beeinträchtigen. Die Aufgaben lagen darin, mit dem Bestand zu arbeiten, ihn kreativ weiterzuentwickeln: So wurden die alten Klosterzellen in Hotelzimmer verwandelt. Als Basis diente ein Farb- und Materialkonzept, das Beziehungen schafft – zwischen Räumen, Menschen und dem gewachsenen Ort. Inzwischen ist der Michaelsberg nach seinem Umbau ein Magnet für Besucher und Architekturinteressierte geworden und wurde auf der MIPIM in Cannes gleich zweifach ausgezeichnet. Einmal in der Kategorie „Best Hotel and Tourism Resort“ und zugleich mit dem „Special Jury Award“ für eine herausragende, architektonische Leistung. Übrigens ist es das erste Mal, dass dieser Special Award von der Fachjury an ein deutsches Projekt vergeben wird. 

Sie haben Expertise im Umgang mit weiteren historischen Orten und Hotels. Sind auch dort die kommunikativen Plätze ein wichtiges Thema?

CSM: Ja, zum Beispiel auch beim Kardinal Schulte Haus in Bensberg, einem der größten kirchlichen Tagungszentren Deutschlands mit 160 Zimmern und rund 2000 Quadratmetern Meeting-Fläche. Das Thema Historie und Moderne findet sich durchgängig im Hause, ob in den alten, sorgsam sanierten Rundbögen oder den modernen Meeting-Bereichen auf jeder Etage. Das Herzstück ist der Innenhof zwischen den mächtigen Mauern. Hier legten wir einen formal reduzierten Platz an, der mit seinen stattlichen Magnolienbäumen zum ganzjährig stimmungsvollen, das Innen und Außen verbindenden Ort wurde und sich zum gefragten Kommunikationsort entwickelt hat.

Sie arbeiten gerade ebenfalls auf dem Petersberg. Mit dem Umbau des ehemaligen Gästehauses der Bundesrepublik Deutschland zum Fünf-Sterne-Luxushotel schlagen Sie ein neues Kapitel auf. Was ist die Herausforderung?

CSM: Das Besondere ist der Ruf, der dem Ort vorauseilt, die Geschichten um Gäste wie Konrad Adenauer, Leonid Breschnew oder Elisabeth II. Das Grandhotel Petersberg wurde in den 1980er Jahren neu aufgebaut, mit einem Layout, das längst nicht mehr dem heutigen Standard entspricht. Dennoch hat der Ort durch seine Rolle und Historie einen ganz besonderen Erinnerungswert und eigenen Charme. Der große Reiz liegt für uns darin, das Haus wieder fit für die nächsten dreißig Jahre zu machen – und die konstruktive Herausforderung darin, das Ganze im laufenden Betrieb durchzuführen.

Was ist die besondere Herangehensweise von meyerschmitzmorkramer beim Entwurf von Hotels?

CSM: Das, was den Häusern gemeinsam ist und unsere Sprache ausmacht, ist die Ruhe und Selbstverständlichkeit, mit der wir Räume und Innenraum-Erlebnisse inszenieren. Wir setzen bewusst auf das Außen – die Blicke dürfen in die Natur schweifen. Bei den Materialien, Oberflächen und in der Farbgebung sind wir zurückhaltend. Zwischen den Häusern lässt sich zudem eine Gestaltungslinie erkennen: Auf ähnliche Art und Weise gehen wir mit dem Licht um, orientieren uns stets an einer optimalen Verbindung von Materialität und Stimmung. Wir setzen bei unseren Gestaltungszielen auf Langfristigkeit, was von vornherein jede modische Attitüde verbietet. Und das ist für uns eine Haltungsfrage.

Worin läge für Sie noch im Hotelbereich eine neue Herausforderung?

CSM: Ein Traum von mir wäre, in zentraler städtischer Lage ein Hotel völlig neu zu denken. Wir besuchten gerade das Hotel The Hoxton in Paris. Das Haus legt Wert auf workingmeeting und living. Dabei gibt es dort keine großen Tagungsbereiche – die Leute sitzen, arbeiten und besprechen sich in den Lounges und der intim gehaltenen Lobby. Die Überlegung lautet für uns: Was ist ein schönes Stadthotel, wie wird man empfangen, und wie präsentiert man sich? Die zentrale Aufgabe und Herausforderung wird sein, dem Hotel wieder einen stärkeren Platz im öffentlichen Raum zu geben.

Wie genau kann das funktionieren?

CSM: Das Wichtigste ist, dass die Barriere zwischen öffentlichem Raum und Hotel überwunden wird. Dadurch kann die Lobby wieder die übergeordnete Funktion eines städtischen Wohnzimmers erhalten, in dem man sich aufhalten und arbeiten kann. Hotels sollten wagen, nicht nur unmittelbar den Übernachtungsgast anzusprechen, sondern vielmehr auch den zukünftigen Kunden zu sehen. Wir leben in einer digitalen Zeit, in der sich Menschen vernetzen. Umso wichtiger ist die persönliche Begegnung. Wenn sich die Menschen aus ihrem digitalen Raster herausbegeben, suchen sie ein echtes Erlebnis, ein Sehen und Gesehen-Werden – genau das kann ein Hotel bieten.


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