Refurbishment bringt Gebäude in Bestform: Hintergründe, Herausforderungen und Ziele



22.12.2015

Architektur hat nicht nur etwas mit Raum, sondern auch mit Zeit zu tun. Was heute noch gilt, kann schon in 20, 30 oder 100 Jahren nicht mehr gelten. Refurbishment ist eine Methode, um Gebäude für die Zukunft fit zu machen – Gedanken aus der Praxis.

Architektur hat nicht nur etwas mit dem Raum zu tun, sondern auch mit der Zeit. Die Zeit verändert alles. Was heute noch gültig ist, könnte schon in 20, 30 oder vielleicht dann in 100 Jahren nicht mehr gelten. Die Architektur überdauert den Wandel. Manchmal stehen Gebäude wie Fremdkörper in einer Zeit, in die sie nicht mehr zu passen scheinen. Doch nicht immer ist der Fall hoffnungslos. Refurbishment ist eine Methode, um Gebäude in die Jetztzeit zu retten und für die Zukunft fit zu machen.

„Die Frankfurter Volksbank – ein gutes Beispiel für Modernisierung, Erhalt und Erweiterung durch Revitalisierung.“

Die Gründe, die dafür sprechen ein Gebäude zu revitalisieren, können sehr unterschiedlich sein. Refurbishment-Projekte sind darum so einzigartig und individuell wie die Geschichten der Gebäude und das Leben, das sich in ihnen und um sie herum abspielt. Allein die Rahmenbedingungen, angefangen bei Schall- und Brandschutz bis hin zu energetischen Anforderungen an Gebäude, können gepaart mit einer älteren Bausubstanz zu einer sehr komplexen Aufgabe werden. Aus vielerlei Gründen kann eine Revitalisierung sogar mehr Sinn machen als ein Neubau. Ist ein Gebäude in die Jahre gekommen, können dennoch seine Architektur, sein Grundkonzept oder seine Bausubstanz erhaltenswert und seine Revitalisierung lohnend sein.

„Refurbishment ist nicht gleich Refurbishment“

Wenn ich vor die Frage gestellt werde „Entweder Abriss und Neubau, oder Erhalt und Refurbishment?“ lautet die Antwort für mich nicht automatisch Neubau. Die Revitalisierung von alten Gebäuden hat ihren ganz eigenen Reiz und die Ansprüche an die Architekten sind fast noch höher als beim Neubau. Diese gesteigerte Herausforderung und der Zwang zur Improvisation sind es, was ich persönlich an dieser Herangehensweise sehr schätze. Die Kunst des Refurbishments ist es, mit dem Bestehenden arbeiten zu müssen.

Die Fragen, die ein Projekt zunächst aufwirft, sind höchst unterschiedlich. Die Grundfrage ist: Kann das Gebäude so revitalisiert werden, dass nachhaltige und zukunftsweisende gebäudetechnische Standards eingehalten werden? Fällt die Prüfung positiv aus, ergibt sich daraus eine ganze Reihe von anderen Fragen:

  • Was kann ich erhalten?
  • Was muss ich vom Bestand erhalten, weil beispielsweise der Denkmalschutz es vorschreibt?
  • Was lohnt sich zu erhalten und aus welchem Grund?

Jede Antwort auf diese Fragen zieht wiederum weitere Fragen nach sich und so gelangt man schließlich zu sehr unterschiedlichen Formen des Refurbishments, die sich klassifizieren lassen.

„Light Refurbishment vs. Heavy Refurbishment“

Zunächst finde ich die Unterscheidung in „Light Refurbishment“ und „Heavy Refurbishment“ sinnvoll. Beim Light Refurbishment genügt es, nur einige wenige Elemente eines Gebäudes zu verändern, um es den aktuellen Anforderungen anzupassen. Am anderen Ende des Spektrums steht das Heavy Refurbishment, bei dem im Extremfall nur das Skelett eines Gebäudes bestehen bleibt. Es gibt Szenarien, in denen sich selbst dieses Vorgehen lohnt.

Nehmen wir an, dass ein bestehendes Gebäude am anvisierten Ort über eine gewisse Anzahl an Stockwerken verfügt. Seit der Errichtung hat sich das Baurecht verändert und erlaubt bei einem Neubau nur noch eine geringere Anzahl an Stockwerken. In dieser Lage könnte sich eine Situation ergeben, in der das Refurbishment einem Neubau überlegen ist. Wenn die Bausubstanz es zulässt, die Räume haustechnisch auf ein Niveau zu bringen, das einem Neubau vergleichbar ist, wäre das Raumangebot nach dem Refurbishment schlicht größer.

„Wirtschaftliche Aspekte: Wiederherstellung der Rentabilität und Kostenersparnis“

Ein zentraler Aspekt bei der Planung und Durchführung von Bauprojekten ist ihre Wirtschaftlichkeit. Wenn beispielsweise Gewerbeimmobilien oder Wohngebäude in die Jahre kommen, wird es zunehmend schwieriger, sie vollständig zu vermieten. Der Vorteil von Refurbishment ist hier auch ein wirtschaftlicher: Durch entsprechende Maßnahmen kann die Rentabilität von Immobilien wiederhergestellt werden, indem diese den aktuellen Anforderungen angepasst und ästhetisch aufgewertet werden. Eine größere Rentabilität ergibt sich auch durch einen entsprechend erhöhten Energiestandard nach einer Revitalisierung. Eine Kostenersparnis ergibt sich bei manchen Projekten auch schon dadurch, dass die Kosten für Planung, Abriss und Neubau die Kosten für die einer Revitalisierung übersteigen. Ein Vergleich lohnt sich in jedem Fall.

„Refurbishment zwischen dem Erhalt von Wahrzeichen und Denkmalschutz“

Die nächste Leitfrage, die beim Themenkomplex Refurbishment wichtig ist: Welche Rolle spielt das Gebäude für die Stadt und die Menschen, die darin leben? Durch die Revitalisierung alter Arbeitsstätten, moderner oder alter Bürogebäude und ungenutzter Industrieanlagen werden diese nicht nur erhalten sowie den neuen Gegebenheiten und Anforderungen angepasst. Gleichzeitig erhalten wir sie als Orte in ihrer Umgebung mit ihrer Geschichte. Die Bedeutung eines Gebäudes für die Menschen in einer Stadt hat direkte Auswirkungen auf ein Projekt. Die Frage ist: Wie weit kann ich gehen, um den Markenkern eines Gebäudes so gut wie möglich zu erhalten?

Ein Sonderfall in diesem Zusammenhang ist der Denkmalschutz. Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, müssen nicht zwangsläufig zur Identität der Stadt und ihrer Bewohner beitragen. Doch auch sie stellen einen interessanten Fall für Refurbishment dar. Im Regelfall stammen solche Gebäude aus einer Zeit, in der Brandschutz und energetisches Bauen entweder noch keine Relevanz hatten oder anderen Standards folgten. Diese Gebäude weiterhin für eine vielfältige Nutzung zu erhalten oder gar erst wieder zu erschließen ist ein wichtiges Anliegen beim Refurbishment.

„Die Ziele von Refurbishment: Das kann die Methode leisten“

Beim Refurbishment geht es selbstverständlich nicht immer um den Erhalt von Ikonen der Architektur oder eines Wahrzeichens einer Stadt. Die meisten Gebäude aus den 1960er- bis 1980er-Jahren sind nicht unbedingt aufgrund ihrer Ästhetik erhaltenswert. Dieser Trend verstärkt sich aus meiner Perspektive. Die Lebensdauer von Gebäuden verkürzt sich zusehends dramatisch. Inzwischen finden sich Gebäude aus den 1990er-Jahren, die kaum mehr vermietbar sind. Dennoch gibt es gute Gründe, die für eine Revitalisierung anstatt eines Neubaus sprechen.

Refurbishment …

  • bringt Gebäude auf einen aktuellen Energiestandard,
  • gleicht das Raumangebot den aktuellen Bedürfnissen an,
  • schafft die notwendigen haustechnischen Voraussetzungen,
  • überprüft die gestiegenen Anforderungen an den Schallschutz,
  • kümmert sich um die Einhaltung der Brandschutzverordnung.

Das Ziel von Refurbishment muss meiner Meinung nach sein, dass das Gebäude nach seiner umfangreichen Revitalisierung allen Anforderungen an die neue Nutzung Stand hält.

„Refurbishment rettet die Einmaligkeit von Gebäuden“

Der Kulturphilosoph Walter Benjamin spricht in seinem berühmten Essay über „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit“ von der Aura, die das Einmalige von Kunstwerken kennzeichnet. Diese Aura haftet beispielsweise Kunstwerken in Museen an. Dort werden sie als Originale gezeigt, die ihre Einmaligkeit aus ihrem einmaligen Dasein im Hier und Jetzt beziehen. Diese Besonderheit, die Aura, haftet der Architektur umso mehr an, weil Gebäude nicht einfach 1:1 technisch reproduziert werden. Das Refurbishment ist eine Herangehensweise, die zunächst untersucht, ob es einen Unique Selling Point (USP) eines Gebäudes gibt, der es einmalig macht. Der USP kann sowohl in der Struktur im Inneren des Gebäudes liegen, in seiner äußeren Gestalt oder in seiner Bedeutung für die Menschen in einer Stadt. Die Einmaligkeit ist etwas, was sich technisch nicht reproduzieren lässt. Das Refurbishment schafft es aber, die Einmaligkeit zu retten.


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