Refurbishment:
Chancen und Perspektiven
für Städte und Kommunen



11.09.2015

Unsere Städte sind ein Gradmesser für aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Es ziehen nicht nur immer mehr Menschen in die Stadt, auch die Art und Weise, wie wir dort wohnen, arbeiten und unsere Freizeit verbringen, ändert sich beständig.

Wie wir Gebäude nutzen und sie annehmen sagt demnach viel über den Status quo urbaner Lebenswelten aus. Stadtplanung und Architektur stehen deswegen gleichermaßen vor der Aufgabe, hier für die geeigneten Rahmenbedingungen zu sorgen. Refurbishment, also die Revitalisierung von alten oder nicht mehr genutzten Gebäuden, ist ein Schlüssel für die aktuellen Herausforderungen in Städten und Kommunen.

Der Leerstand von Büroraum in großen deutschen Städten steht symptomatisch für das Veralten von architektonischen Konzepten und nicht mehr zeitgemäße Arbeitswelten. Doch der Leerstand dieser Gebäude ist zugleich eine Chance für die Stadtentwicklung. Durch das Refurbishment von nicht mehr genutzten Gebäuden können vorhandene Objekte für eine zeitgemäße Nutzung umgestaltet werden. Diese Art der Um- bzw. Neunutzung hat gegenüber von Neubauprojekten viele Vorzüge.

„Die Vorteile von Refurbishment gegenüber Neubauprojekten“

Der Bedarf an Wohnraum, der sich an den veränderten Lebensgewohnheiten ausrichtet, steigt in den Städten besonders deutlich. Hier ist die Vielfalt an Lebensmodellen größer und damit der Wunsch nach individuellen Wohnkonzepten besonders stark ausgeprägt. Bei der Konzeptionierung eines Neubaus wird jedoch eher von einem mehrheitsfähigen Modell ausgegangen. Am häufigsten passen Lebensentwürfe in das Standardschema: 3-4 Zimmer, Küche, Bad. Beim Refurbishment eines entkernten Bürogebäudes lassen sich hingegen in jedem Geschoss Wände nahezu beliebig einziehen, so dass die entstehenden Räume exakt zu den Bedürfnissen der Bewohner passen.

Das The Henry’s in Düsseldorf zeigt, wie sich eine ungenutzte Büroimmobilie aus den 70er-Jahren in ein attraktives, exklusives Wohngebäude verwandelte. Dazu musste das achtgeschossige Gebäude zunächst bis auf die tragende Konstruktion komplett entkernt werden. 2010 wurde das The Henry’s mit dem Gütesiegel „Effizienzhaus der Deutschen Energie Agentur“ (dena) verliehen. Es war das erste Revitalisierungsprojekt Deutschlands, das diese Auszeichnung erhielt.

Ein großer Vorteil von Refurbishment besteht darüber hinaus in seiner Geschwindigkeit. Von der Baugenehmigung bis zum Fertigstellen eines Gebäudes vergehen oft viele Jahre. Der Bedarf ist meist jedoch schon da, bevor mit der Planung begonnen wird. Die Nutzung des leer stehenden Bestandes geht deswegen mit einem entscheidenden zeitlichen Vorlauf ins Rennen. Durch die Bewahrung des Bestandes an Häusern bleibt zudem das Stadtbild erhalten. Oft handelt es sich bei den leer stehenden Hochhäusern und Fabriken um markante, für die Identität einer Stadt wichtige Orte.

„Zur Halbwertszeit
von Gebäudekonzepten“

Die technischen und sozialen Standards, die der Arbeitswelt zugrunde liegen, veränderten sich noch nie in der Geschichte so häufig und grundlegend wie in den letzten 20 Jahren. Die Architekten und Planer, die Gebäude zwischen den 50er und 80er Jahren entwarfen, konnten von den Arbeitsbedingungen von heute nichts ahnen. Selbst Bürobauten aus den 90er-Jahren sind in ihrem aktuellen Zustand teilweise nur schwer bis gar nicht vermarktbar.

Während die Standzeit von solchen Immobilien vor einigen Jahrzehnten mit 80 bis 100 Jahren beziffert wurde, geht man heute von Revitalisierungszyklen von 20 bis 25 Jahren aus. Das zeigt: Die Gebäudesubstanz überlebt die Art und Weise seiner Nutzung um ein Vierfaches. Die strengen Hierarchien der Arbeitswelt von früher führten zu gänzlich anderen Entwürfen der Interieurs. Desksharing und „Bring your own device“ zieht eine neue Innenarchitektur nach sich, die früher nicht zur Debatte stand.

„Refurbishment bringt alte Gebäude auf ökologische Standards“

Ein weiterer Grund für die veränderten Lebenszeiten von Gebäuden sind die veränderten Umweltbedingungen. Bis vor wenigen Jahrzehnten galten die Reserven fossiler Brennstoffe als nahezu unerschöpflich. Beim Bau manch anderer Gebäude galt noch Atomenergie als die saubere Energie der Zukunft schlechthin. Entsprechend wenig kümmerten sich die Architekten von damals um Nachhaltigkeit, Dämmung und Energieeffizienz. Auch das ist heute ein entscheidender Ansatzpunkt für Refurbishment. Manchmal hängt die weitere Nutzung eines Gebäudes an seiner Leistungs- und Energiebilanz. Wie bei den Deutsche-Bank-Türmen in Frankfurt oder dem Dreischeibenhaus in Düsseldorf kann die Zukunftsfähigkeit von Gebäuden durch Refurbishment erhalten werden.

„Bessere Perspektiven in der Stadt durch Refurbishment“

Eine gezielte Sanierung kann die Nutzungsflexibilität einer Immobilie erhöhen und durch Mischnutzung die soziale Situation in einem Viertel mitgestalten. Oft besteht die Option, das alte Baurecht zu nutzen, was zu Vorteilen gegenüber einem Abriss mit anschließendem Neubau darstellt. Mit msm meyer schmitz-morkramer haben wir beispielsweise das Projekt Ben XII in Düsseldorf realisiert. Das markante Eckhaus im Düsseldorfer Bankenviertel umfasst heute nicht nur repräsentative Büroflächen, sondern auch zwei großzügige Ladengeschäfte im Erdgeschoss. Dadurch änderte sich das Zielpublikum, das das Gebäude ansprach und wertete die städtische Umgebung entsprechend auf.

„Refurbishment als ökologische, soziale und politische Aufgabe“

Diese und weitere Beispiele zeigen, wie vielfältig der Nutzen von revitalisierten Gebäuden im Ökosystem Stadt sein kann. Die Tragweite einer „fachgerechten“ Sanierung geht weit über bauliche Aspekte hinaus. Gezielt eingesetztes Refurbishment gewährleistet die ökologische und nachhaltige Weiternutzung von bestehenden Gebäuden.

Damit werden Energiekosten gesenkt und die Umwelt geschont. Sozialräume, Arbeitswelten und Wohngebiete werden entweder neu geschaffen, verbessert oder wiederbelebt. Für die Stadtplanung ergeben sich dadurch Kosten- und Zeiteinsparungen im Vergleich zum Abriss und Neubau. Schließlich sind es vor allem die Menschen in Städten und Kommunen mit ihren sich verändernden Bedürfnissen, die vom Erhalt und der Wiederbelebung alter Gebäude profitieren.


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