Gelungene Freianlagen
steigern den Wert der Immobilie



22.02.2017

Welchen Stellenwert hat der Landschaftsbau in der Architektur? Holger Meyer und Caspar Schmitz-Morkramer im Gespräch mit den Landschaftsarchitekten Frank Flor (Club L94), Prof. Thomas Fenner (FSWLA) und Rudolf Kaufmann (KuBuS Freiraumplanung).

Herr Schmitz-Morkramer, Herr Meyer, sind Sie lieber in geschlossenen Räumen oder draußen an der frischen Luft?

Caspar Schmitz-Morkramer: Die Arbeit bringt es mit sich, dass ich sehr viel Zeit im Büro verbringe. Prinzipiell halte ich mich aber lieber im Freien auf und genieße jeden Moment, in dem das möglich ist.

Holger Meyer: Mir geht es ganz ähnlich. Laienhaft betätige ich mich übrigens auch als Gärtner.

C. Schmitz-Morkramer: Mir fehlen zum Gärtnern leider die Geduld und wohl auch das Talent. Ich bin also Thomas Fenner, der ja auch bei diesem Gespräch hier dabei ist, sehr dankbar, dass er mir einen wunderschönen und unkomplizierten Garten gebaut hat und ich mich deswegen vor allem auf das Rasenmähen beschränken kann. Mich hat übrigens schon als junger Mensch das Museum Insel Hombroich begeistert, weil dort Kunst, Architektur und Landschaftsarchitektur eine großartige Verbindung eingehen.

H. Meyer: Ein Schlüsselerlebnis für mich war eine berufliche Diskussion vor über zwanzig Jahren: Ein Kollege fragte mich, ob er eine Landschaftsbaufirma kaufen solle. In dem Gespräch wurde mir klar, dass wir für ein Gebäude mit Hilfe der Landschaftsarchitektur mit verhältnismäßig geringem Aufwand sehr gute Ergebnisse erzielen können.

Wird diese Bedeutung der Landschaftsarchitektur denn mittlerweile allgemein anerkannt?

Frank Flor, Club L94: In den siebziger und teilweise auch noch in den achtziger Jahren herrschte schon der Eindruck, dass wir Landschaftsarchitekten ein bisschen grüne Soße produzieren, die man ganz am Ende noch neben das Gebäude gibt. Ich glaube aber, dass sich diese Meinung geändert hat.

Prof. Thomas Fenner, FSWLA: Natürlich hat das auch mit allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun. Die Menschen haben immer mehr Freizeit, sie wollen sich bewusst erholen, verbringen gerne Zeit im Grünen und fragen sich genau, wo das beste Umfeld für sie selbst und für ihre Familie ist. Die Arbeit von Landschaftsarchitekten wird also stärker nachgefragt.

Rudolf Kaufmann, KuBuS Freiraumplanung: Gleichzeitig wird dadurch unsere Arbeit aber auch anspruchsvoller. Sie muss sowohl harte Funktionen erfüllen als auch eher weichen, emotionalen Ansprüchen genügen: Wie sind Verkehr und Mobilität geregelt? Wie fügt sich ein Gebäude über seine gestaltete Umgebung in den Stadtkörper ein?

Am besten sollten wir diese und weitere Funktionen der Landschaftsarchitektur mit Hilfe ganz konkreter Projekte beleuchten. meyerschmitzmorkramer arbeitet zusammen mit Frank Flor vom Club L94 im Auftrag von Art-Invest Real Estate gerade an dem Kaiser-Hof, der bis 2018 an der Kölner Erftstraße entsteht.

F. Flor: Mir gefällt an diesem Vorhaben eines ganz besonders: Der Auftraggeber investiert hier in den öffentlichen Raum, um einen Mehrwert für sein Gebäude zu realisieren. Dabei geht es unter anderem um die Gestaltung der Hermann-Becker-Straße: Links und rechts läuft einspurig der Verkehr, in der Mitte stehen Bäume, und hier sind auch die Fußgänger unterwegs. Diese Allee in Mittellage ist allerdings schon in die Jahre gekommen. Unser Plan ist nun, über einen neuen Bodenbelag, ein passendes Beleuchtungskonzept und einige Aufräum- und Verschönerungsarbeiten die Straße wieder so schön und attraktiv zu machen, wie sie sein könnte. Dafür sind wir in Gesprächen mit der Stadt Köln.

C. Schmitz-Morkramer: Auch an der Erftstraße selbst wabert unser Grundstück gewissermaßen in den öffentlichen Raum hinein, wo wir nicht mehr bauen können. Unser Ziel ist es, dass wir das Gebäude wieder in die Stadt hineinstellen und mit seiner Umgebung verbinden. Das geht aber nur über eine überzeugende Landschaftsarchitektur und über eine Aufwertung des umliegenden öffentlichen Raums. Es ist großartig, dass der Bauherr über das eigene Grundstück hinausdenkt.

R. Kaufmann: Die öffentliche Hand verfügt über immer weniger Geld und animiert deswegen Investoren dazu, in den angrenzenden Bereichen die Dinge in Ordnung zu bringen. In Frankfurt am Main konnte man das beispielsweise bei den Bautätigkeiten rund um das Gebäude der Europäischen Zentralbank sehr gut beobachten. Da entstehen neue Partnerschaften und oft auch eine Win-win-Situation.

Ebenfalls in Frankfurt am Main haben ja meyerschmitzmorkramer und Sie, Herr Kaufmann, zusammengearbeitet. Der St Martin Towerwurde im Jahr 2015 fertiggestellt.

H. Meyer: In Frankfurt sind die Grundstückspreise bekanntlich hoch. Deswegen ist eine absolute Besonderheit des St Martin Tower der unbebaute Vorplatz. Hier ist dank der Arbeit von Herrn Kaufmann ein qualitativ hochwertiger öffentlicher Raum entstanden – und das in einer Gegend, die eher einen Gewerbegebietscharakter hat.

R. Kaufmann: Der St Martin Tower steht sehr spannungsgeladen auf der Fläche, die sich dadurch in zwei Hälften trennt. Auf der einen Seite haben wir eher eine Grünfläche, auf der anderen Seite ging es uns um eine urbane Anmutung. Hier mussten wir ganz viele Funktionen gleichzeitig erfüllen, das Problem habe ich ja schon ganz kurz angesprochen: Wie kann man mit dem Auto vor dem Gebäude vorfahren? Wie sieht es mit der Tiefgaragenausfahrt aus, wie mit den Fluchtmöglichkeiten? Und gleichzeitig wollten wir eben einen echten Platz realisieren, der mit dem St Martin Tower eine Einheit bildet. Das Hochhaus weist ja beispielsweise einen Knick in der Längsseite auf, der Spiegelungen begünstigt und dem Gebäude eine gewisse Leichtigkeit und Eleganz verleiht. Diesen Knick haben wir in der Platzgestaltung mit Belagselementen, Gliederungselementen und Stufenelementen wieder aufgegriffen. Dafür haben wir auch einen weißen, wertigen Betonwerkstein entwickelt, der einerseits das Weiß des St Martin Tower wieder aufgreift, andererseits den Platz von der Umgebung abhebt und ihm eine gewisse Privatheit verleiht. Wenn Sie so wollen, ist der Platz sowohl privat als auch öffentlich und halböffentlich, er nötigt Respekt ab, aber man kann ihn auch einfach durchqueren, man kann draußen sitzen, man kann das gastronomische Angebot wahrnehmen, was auch tatsächlich sehr viele Menschen tun.

H. Meyer: In unserer gemeinsamen Arbeit mit Landschaftsarchitekten kommen wir eigentlich immer an den Punkt, an dem wir uns fragen: Soll der Landschaftsbau die Architektur aufgreifen oder, im Gegenteil, einen Kontrast bilden? Beim St Martin Tower gab es bei uns im Haus Stimmen, die auf einen stärkeren Kontrast gesetzt haben und befürchteten, dass das weiße Gebäude auf dem weißen Platz untergeht. Ich denke, heute sieht man, dass das nicht der Fall ist und die Idee sehr gut war. Jedes Projekt hat seine eigene, spezielle Lösung.

Sprechen wir doch über eine weitere spezielle Lösung: Zusammen mit Prof. Thomas Fenner und FSWLA hat meyerschmitzmorkramer das Kardinal Schulte Haus in Bensberg umgebaut.

Prof. T. Fenner: Interessant war, dass das Kardinal Schulte Haus über einen eigentlich sehr schönen Innenhof verfügte, der aber überhaupt nicht genutzt wurde. Durch die Arbeit der Architekten sind viele neue Blickbezüge sowie Zugänge zu diesem Innenhof entstanden. Unsere Aufgabe war es, ihm wieder eine echte Aufenthaltsqualität zu verleihen. Dabei sind wir übrigens recht ökonomisch vorgegangen: Wir haben den kompletten Innenhof aufgeräumt, etliches entfernt, die sehr schönen und skulpturalen Magnolien erhalten, für ein neues Beleuchtungskonzept gesorgt und ein ganz einfaches Pflaster verlegt. Manchmal ist weniger tatsächlich mehr.

C. Schmitz-Morkramer: Das finde ich einen interessanten Punkt. Es kommt nicht immer darauf an, viel Geld auszugeben und enorm wertige Materialien zu verwenden. Entscheidend ist, wie man seine Mittel einsetzt. Und genau diese Fähigkeit schätzen wir sehr an den Landschaftsarchitekten, mit denen wir zusammenarbeiten. Es bringt nichts, Maximalforderungen zu stellen und dann irgendwann enttäuscht das Projekt zu verlassen, weil sich nicht jeder ambitionierte Wunsch realisieren lässt. Es kommt darauf an, im Dialog gemeinsam voranzukommen.

Wie sieht die optimale Zusammenarbeit zwischen Architekten und Landschaftsarchitekten aus?

F. Flor: Auf so eine grundsätzliche Frage muss man natürlich auch sehr grundsätzlich antworten. Es geht um Respekt, Vertrauen und Wertschätzung. Ein Landschaftsarchitekt ist kein Dekorateur, sondern ein Partner auf Augenhöhe.

Prof. T. Fenner: Ich denke, genaue Schnittstellendefinitionen sind sehr wichtig: Wo hört die Leistung des Architekten auf, wo fängt die Leistung des Landschaftsarchitekten an?

R. Kaufmann: Außerdem ist auch das Timing von entscheidender Bedeutung. Die Zusammenarbeit sollte so früh wie möglich beginnen. Bei Wettbewerben funktioniert das ja schon ganz gut, weil man da von Anfang an im Dialog ist. Aber beispielsweise beim Bauen im Bestand wird meiner Ansicht nach der Landschaftsarchitekt oft zu spät dazu genommen.

Prof. T. Fenner: Ganz allgemein gilt: Je eher man eine gute Truppe zusammen hat, desto weniger Fehler passieren und desto besser wird das Projekt. Ich denke, dass dieser Zusammenhang den meisten Architekten ohnehin schon klar ist. Jetzt geht es darum, dieses Verständnis auch bei den Bauherren noch stärker zu wecken.

Wie könnte das gelingen?

H. Meyer: Man muss nicht an die Naturliebe appellieren. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass gelungene Freianlagen den Wert einer Immobilie beträchtlich steigern. Der erste Eindruck, den ein Gebäude weckt, ist oft entscheidend. Und der wird eben auch von der Umgebung bestimmt. Es ist ganz einfach so: „You never get a second chance to make a first good impression.“

C. Schmitz-Morkramer: Mir fällt auf, dass wir vor allem viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, wenn es um verhältnismäßig kleine Räume geht, die es noch zu gestalten gilt. Gerade ein kleiner Vorplatz oder Innenhof muss eine wertige Gestaltung bekommen, und das kann nicht ein Abfallprodukt der Architektur sein. Das ist eine Aufgabe für Spezialisten, die ein Gefühl für genau diese Räume haben.

F. Flor: Man muss auch noch einmal unterscheiden zwischen der öffentlichen und der privaten Hand. So genießt unsere Arbeit bei den Kommunen zwar eine hohe Wertschätzung, es ist aber kaum Geld da. Private Bauherren dagegen sind oft bereit, in die Außendarstellung ihres Unternehmens zu investieren.

Prof. T. Fenner: Es ist wichtig, den gesamten Prozess der Landschaftsarchitektur verständlich zu machen. Ein Problem besteht ja darin, dass die Firma, die mit dem Landschaftsbau beauftragt wird, erst ganz am Ende auf die Baustelle kommt, wenn die Budgets schon knapp sind. Dann liegt die Versuchung nahe, einfach beim Freiraum zu sparen. Ein weiteres Problem ist, dass oft noch nicht ausreichend verstanden wurde, dass eine schöne Bepflanzung nicht nur eine einmalige Investition ist, sondern kontinuierliche Pflege benötigt.

R. Kaufmann: Im Grunde bleibt einem gar nichts anderes übrig, als die Projekte für sich sprechen zu lassen, egal ob sie nun von privater Seite oder von der öffentlichen Hand in Auftrag gegeben wurden. Wir müssen sensibilisieren, wir müssen emotionalisieren und letztlich ist doch genau das die Würze im Planungsalltag.

H. Meyer: Ich schätze ja nicht nur schöne Gärten, sondern auch den Optimismus. Und deswegen glaube ich ganz fest: Qualität wird sich immer durchsetzen.


Weitere Artikel